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VERKÖRPERT SEIN

VERKÖRPERT SEIN - EMBODIED!

“Movement is what we are,

not something we do.”

Emilie Conrad (1934-2014), Tänzerin



„Ein Mensch ist immer zugleich Leib … und hat diesen Leib als diesen Körper.“

Helmuth Plessner. Lachen und Weinen. 1941





Jahrhunderte-, wenn nicht jahrtausendelang wurden wir daran gewöhnt, scharf zu trennen: hier die unsterbliche, möglichst reine Seele – dort der sterbliche, mit allen Laste(r)n des Lebens beschwerte Körper. Oder: je reiner und feiner, desto unkörperlicher der Mensch. Descartes hat dieser Trennung als einem Dualismus zweier Wesenheiten, der unkörperlichen res cogitans und der res extensa, ein besonders wirkmächtiges philosophisches Gewand verliehen.
Erst in letzter Zeit ist die Erkenntnis wieder gewachsen, dass auch die scheinbar unkörperlichsten menschlichen Aktivitäten wie z.B. das Wahrnehmen oder das Denken, untrennbar mit körperlichen Prozessen verbunden sind, ja, dass unser Selbsterleben immer auch das als einer ganz körperlichen Person ist. Nicht umsonst sprechen wir ja vom Wahr-Nehmen, vom Be-Greifen, vom Er-Fassen. Und andersherum verstehen wir immer mehr: auch die scheinbar körperlichsten Aktivitäten wie z.B. das Verdauen von Nahrung oder sportliche Betätigung sind untrennbar mit geistigen Aktivitäten verbunden; besonders deutlich wird das, wenn man auf Wirkung von Angst, Stress, aber auch von Motivation etc. denkt. Dieses „verkörperte Selbst“ meint noch mehr als den „Leib“, das Körpererleben oder Körper-Sein – es geht sozusagen um die Körperlichkeit des gesamten Seins.

Damit erweitert sich auch in der Medizin (wieder) der Blick auf den Umgang mit dem (kranken) Körper – er ist untrennbarer Teil jeden Umgangs mit Menschen, mit Patienten. Es geht um das Gewahrwerden der Körpersprache des Gegenübers, das Nutzen eigener Körperwahrnehmungen für das Verständnis des Gegenübers, es geht um reflektierte Berührung als Mittel der Begegnung. Mit all diesem geht es auch um eine neue Wertschätzung der Begegnung mit dem Patienten in der körperlichen Untersuchung, über das Erheben von körperlichen Befunden und körperorientierte Interventionen hinaus als Möglichkeit zum vertieften Verständnis und zum Aufbau einer Beziehung. Therapeutisch geht es darum, mit Patienten immer, auch wenn es scheinbar um ganz Anderes geht, auf ihr Körpererleben zu achten, sie zu unterstützen in ihrer „ganzkörperlicher“ Genussfähigkeit ebenso wie im Beachten ihrer „ganzkörperlichen“ Grenzen.

Und wir Behandler selbst? Für uns gilt natürlich wie für alle: mens sana in corpore sano, oder besser noch: mens sana corpus sanum.

Peter Henningsen

und Constanze Hausteiner-Wiehle







Literatur und Links



Alloa E, Bedorf T, Grüny C, Klass TN (Hrsg.) Leiblichkeit. Geschichte und Aktualität eines Konzepts. UTB-Handbuch. Mohr Siebeck, Tübingen 2019

Fuchs T. Körper haben oder Leib sein? Gesprächspsychotherapie und Personenzentrierte Beratung 2015;3:144-150. https://www.gwg-ev.org/sites/default/files/GPB_3-2015-Fuchs_0.pdf )

Fuchs T. The Brain – a mediating organ. J Consc Stud 2011; 18 (7-8): 196-221. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/zpm/psychatrie/fuchs/The_Brain_-_A_Mediating_Organ.pdf

Leiß O, Albers L. Der Leib als Medium und als Resonanzkörper,das Gehirn als Beziehungsorgan. Verdauungskrankheiten 2011; 29: 117-125.  https://www.researchgate.net/publication/271228117_Der_Leib_als_Medium_und_als_Resonanzkorper_das_Gehirn_als_Beziehungsorgan

Newen A, de Bruin L, Gallagher S. Oxford Handbook of 4E Cognition. Oxford University Press, Oxford 2018

Wehrle M. Being a body and having a body. The twofold temporality of embodied intentionality. Phenomenol Cogn Sci 2020;19:499–521. https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s11097-019-09610-z.pdf

Wehrle M. Medium und Grenze: Der Leib als Kategorie der Intersubjektivität. Phänomenologie und Anthropologie im Dialog. In: Breyer T (Hrsgb.). Grenzen der Empathie. Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2013, S. 215-238. https://core.ac.uk/download/pdf/34577489.pdf







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