MAURICE MERLEAU-PONTY
„Der eigene Leib ist in der Welt wie das Herz im Organismus.“
Maurice Merleau-Ponty. Die Phänomenologie der Wahrnehmung. 1945
Körperschema und Körpergedächtnis
Für MMP verfügt der Körper also über eigenes, implizites Wissen („schweigendes Bewusstsein“, „reines Selbstgefühl“). Zusätzlich spricht er vom Körper als einem “intentionalen Bogen”, der Träger seiner früheren Erfahrungen ist und als aktueller, intentionaler Leib zugleich Erfahrungen in der Zukunft ermöglicht. Wenn er gewohnte Bewegungsabläufe, erlernte Fertigkeiten, Beziehungsmuster, kulturelle Konventionen und überhaupt alle Erfahrungen (einschließlich traumatischer Erlebnisse und Schmerzen) im Körper verortet, begegnet uns bereits die Idee eines Körpergedächtnisses. MMP geht davon aus, dass die körperliche „Sedimentierung“ von (Leib-)Erfahrungen unser Verhalten im Hier und Jetzt der Welt auf eine intelligente, aber gleichsam mühelose, man könnte fast sagen schlafwandlerische Art und Weise prägt - ohne spezielle Aufmerksamkeit oder Planung, ohne Faktenwissen, ohne Repräsentationen im Gehirn: so passen wir unsere Schritte auf der Grundlage unserer Geherfahrungen und aktueller Sinneseindrücke dem Untergrund gleichsam automatisch an, aber wir stellen sie uns nicht in Gedanken vor oder berechnen sie, nicht einmal, wenn wir, etwa durch einen Gehstock, diese Sinneseindrücke nur indirekt bekommen. Im Gegenteil, wir „fühlen“ den Untergrund mit dem Stock, integrieren in mühelos ihn unser Körperschema wie einen verlängerten Arm.
Räumlichkeit, Ständigkeit, Zwischenleiblichkeit
Constanze Hausteiner-Wiehle
Literatur und Links
Danzer G. Merleau-Ponty – ein Philosoph auf der Suche nach Sinn. Kulturverlag Kadmos, Northwestern University 2003
Fuchs T. The Brain – A Mediating Organ. J Conscious Stud 2011; 18 (7-8):196-221
Goddemeier C. Maurice Merlau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung. Dtsch. Ärzteblatt 2008 7(4):164-165. https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=59737
Merleau-Ponty M. Das Auge und der Geist. Philosophische Essays. Meiner, Hamburg 2003
Merleau-Ponty M. Das Sichtbare und das Unsichtbare. Fink, München 1994
Merleau-Ponty M. Phänomenologie der Wahrnehmung. de Gruyter, Berlin 1966/1974
Merleau-Ponty M. Vorlesungen I. Schrift für die Kandidatur am Collège de France. Lob der Philosophie. Vorlesungszusammenfassungen (Collège de France 1952–1960). Die Humanwissenschaften und die Phänomenologie. de Gruyter, Berlin/New York 1973
Rattner J, Danzer G. Medizinische Anthropologie. Frankfurt, Fischer 1997
Shusterman R. Der schweigende, hinkende Körper der Philosophie. DZPhil Berlin 2003; 51(5): 703-722. https://www.fau.edu/artsandletters/humanitieschair/pdf/der-schweigende-hinkende-korper-der-philosophie.pdf
Stanford Encyclopedia of Philosophy. Maurice Merleau-Ponty. 2016. https://plato.stanford.edu/entries/merleau-ponty/#LifeWork
The international Merleau-Ponty-Circle. https://www.merleauponty.org/
Wehrle M. Medium und Grenze: Der Leib als Kategorie der Intersubjektivität. Phänomenologie und Anthropologie im Dialog. https://core.ac.uk/download/pdf/34577489.pdf